Illegaler Abfallhandel
Aktuelle Rechtsprechung des EuGH zur Abfallverbringung
In der Rechtssache C-624/17 (Tronex), wurde die Tronex, ein Großhändler für Restposten an elektronischen Waren, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, da sie Abfälle unter Verstoß gegen die VVA verbracht haben soll. Die aus einem Posten elektrischer bzw. elektronischer Geräte (elektrische Wasserkocher, Dampfbügeleisen, Ventilatoren und Rasierapparate) bestehende Sendung sollte zu einem in Tansania ansässigen Dritten verbracht werden. Die Geräte waren größtenteils originalverpackt, einige waren aber unverpackt. Es handelte sich zum einen um von Verbrauchern aufgrund der Produktgarantie zurückgegebene Geräte und zum anderen um Waren, die z. B. wegen einer Sortimentsänderung aus dem Sortiment des Verkäufers genommen worden waren. Einige Geräte waren defekt. Die Verbringung erfolgte ohne die Notifizierung bzw. Zustimmung im Sinne der VVA. Nach Ansicht des EuGH ist eine solche Verbringung als „Verbringung von Abfällen“ anzusehen, wenn dieser Posten Geräte enthält, deren Funktionsfähigkeit zuvor nicht festgestellt wurde oder die nicht angemessen gegen Transportschäden geschützt sind. Dagegen sind solche im Sortiment des Verkäufers überschüssig gewordenen Gegenstände in ungeöffneter Originalverpackung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht als Abfälle anzusehen.
In der Rechtssache C-689/17 (Conti 11. Container-Schiffahrt) musste sich der EuGH erneut mit der Definition des Begriffs „Abfall“ befassen, diesmal im Zusammenhang mit einem Containerschiff, das „Gefahrgutcontainer“ von den Vereinigten Staaten nach Belgien transportierte. Nachdem an Bord ein Feuer ausbrach, bei dem es zu Explosionen kam, erhielt das Unternehmen Conti die Genehmigung, das Schiff in deutsche Hoheitsgewässer zu schleppen. Nach Angaben der deutschen Behörden waren jedoch das Schiff selbst „bzw. das an Bord befindliche Löschwasser sowie die Schlämme und der Stahlschrott als Abfall einzustufen“. Der EuGH bestätigte, dass Rückstände wie die in Rede stehenden, die auf eine Havarie an Bord eines Schiffes zurückzuführen sind, als Abfälle, die an Bord von Schiffen anfallen, anzusehen sind und somit vom Anwendungsbereich der VVA ausgenommen sind, bis sie zwecks Verwertung oder Beseitigung abgeladen sind.
Es gibt mehrere weitere Urteile des EuGH betreffend den Charakter und die Klassifizierung von über Grenzen transportierten Stoffen. Vor allem in der Rechtssache C-241/12 (Shell Niederlande) musste der EuGH über 333 000 Kilogramm eines Ölprodukts klassifizieren, das von einem Käufer in Belgien an das niederländische Unternehmen Shell zurückgegeben wurde. Der Käufer war nicht in der Lage, das Ölprodukt zu lagern oder zu behalten, da es bei der Verladung zur ersten Verbringung des Produkts von den Niederlanden nach Belgien versehentlich zu einem Fehler in seiner Zusammensetzung gekommen war. Die Feststellung, ob es sich bei dem Ölprodukt um „Abfall“ handelte, war für das gegen Shell eingeleitete Strafverfahren von grundlegender Bedeutung. Nach Auffassung des EuGH kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kunde die Absicht hatte, die fragliche Sendung zu beseitigen oder zu verwerten, da sie auf der Grundlage des Vertrags zurückgegeben wurde. Viel schwieriger war es jedoch, die Position von Shell zu beurteilen und festzustellen, ob Shell beabsichtigte, sich der fraglichen Sendung zu dem Zeitpunkt, als ihre Kontamination bekannt wurde, zu „entledigen“. Der EuGH berücksichtigte, dass der Stoff einen Handelswert besaß und ohne Verarbeitung auf dem Markt verkauft werden konnte. Entscheidend war jedoch die Tatsache, dass Shell die in Rede stehende Sendung mit der Absicht zurücknahm, sie zu mischen und wieder auf den Markt zu bringen. Aus diesem Grund konnte sie nicht als Abfall im Sinne der VVA betrachtet werden.