Behandlung von kommunalem Abwasser
Die Richtlinie 91/271 vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser ([1991] ABl. L135/40), eine der bekanntesten des gesamten Umweltrechts, legt Anforderungen an das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser und das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen (Artikel 1) fest, indem sie Qualitätsziele und Emissionsgrenzwerte miteinander kombiniert.
Gemeinden mit mehr als 15 000 „Einwohnerwerten“ (EW) sollten spätestens bis zum 31. Dezember 2000 mit einer Kanalisation ausgestattet werden, Gemeinden mit Einwohnerwerten von mehr als 2 000 bis zum Jahr 2005 (Artikel 4). Für die Zwecke der Richtlinie bedeutet „1 EW (Einwohnerwert)“: organisch-biologisch abbaubare Belastung mit einem biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen (BSB5) von 60 g Sauerstoff pro Tag (Artikel 2 Absatz 6). Diese Kanalisation muss den Erfordernissen der Abwasserbehandlung Rechnung tragen, und ihrer Auslegung, ihrem Bau und ihrer Instandhaltung sind „die optimalen technischen Kenntnisse zugrunde zu legen, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ (Anhang I-A).
Der Gerichtshof entschied, dass Abwasser, das aus einem Kanalisationsnetz austritt, das von einem gesetzlich vorgeschriebenen Kanalisationsbetreiber instandgehalten wird, Abfall im Sinne der Abfallrechtsvorschriften der Union darstellt. Während der Anwendungsbereich dieser Abfallrechtsvorschriften Abwässer im Allgemeinen ausschließt, heißt es hier nur: „Folgendes fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie“ (derzeit Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2008/98 vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien [2008] ABl. L 312/3). Dennoch hatte der Gerichtshof festgestellt, dass es sich bei der Richtlinie 91/271 nicht um „andere Rechtsvorschriften“ im Sinne des Abfallrechts handelt, weil solche Rechtsvorschriften genaue Bestimmungen über die Bewirtschaftung der Abfälle enthalten und ein Schutzniveau gewährleisten müssen, das demjenigen zumindest gleichwertig ist, das sich aus dem Abfallrecht ergibt.
Nach Auffassung des Gerichtshofs gewährleistet die Richtlinie 91/2001 ein solches Schutzniveau nicht; hinsichtlich Abwasserleckagen beschränkt sie sich auf die Verpflichtung, das Risiko solcher Leckagen bei Entwurf, Bau und Unterhaltung der Kanalisation zu verhindern, ohne dass sie eine Zielsetzung hinsichtlich der Abfallbeseitigung oder der Sanierung kontaminierter Böden enthält (Rechtssache C-252/05 Thames Water utilities, Randnrn. 32-38). Ist die Einrichtung einer Kanalisation nicht gerechtfertigt, weil sie entweder keinen Nutzen für die Umwelt mit sich bringen würde oder mit übermäßigen Kosten verbunden wäre, so sind individuelle Systeme oder andere geeignete Maßnahmen erforderlich, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten (Artikel 3). Bei der Umsetzung dieser Verpflichtung kam es zu erheblichen Verzögerungen.