Allgemeine Grundsätze
Unmittelbare Wirkung
Hinsichtlich der Beteiligung an Entscheidungsverfahren bestätigte der EuGH die unmittelbare Wirkung der EU-Richtlinien zur Umsetzung der zweiten Säule des Übereinkommens von Aarhus: Art. 11 der UVP-Richtlinie (Rechtssache C-115/09 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen) und Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie (Rechtssache C-243/15 Lesoochranárske zoskupenie VLK). Es gibt keine Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung der Richtlinie über Industrieemissionen, aber ihre Bestimmungen über die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren sind noch umfassender und detaillierter als die der UVP-Richtlinie (Art. 23-24).
Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz bestätigte der EuGH die unmittelbare Wirkung zahlreicher EU-Richtlinien im Einklang mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus, der besagt, dass "jede Vertragspartei […] Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben [muss], um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen." Infolgedessen sollten sowohl Einzelpersonen als auch Umwelt-NGOs auf der Grundlage des EU-Umweltrechts Verwaltungsakte vor den nationalen Gerichten anfechten können. Überdies darf die rechtliche Form dieser Rechtsakte Einzelpersonen grundsätzlich nicht am Zugang zur Justiz hindern (Rechtssache C-237/07 Janecek).
In der Rechtssache C-404/13 ClientEarth vertrat der EuGH die Auffassung, dass das Unionsrecht (Art. 23 der Richtlinie 2008/50) eine klare Verpflichtung zur Erstellung eines Luftqualitätsplans auferlegt, der bestimmten Anforderungen genügt; eine Verpflichtung, auf die sich Einzelpersonen gegenüber Behörden berufen können. In der Rechtssache C-529/15 Folk gelangte der EuGH zu dem Schluss, dass Personen mit Fischereirechten die Befugnis haben müssen, ein Überprüfungsverfahren in Bezug auf Umweltschäden einzuleiten. In der Rechtssache C-197/18 Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland u.a. führte der EuGH aus, dass die betroffenen Personen einschließlich der Gemeinden verlangen können müssen, dass die bestehende Verordnung Aktionsprogramm Nitrat geändert wird. In der Rechtssache C-664/15 Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation vertrat der EuGH die Auffassung, dass die Umwelt-NGOs die Möglichkeit haben müssen, gerichtlich gegen eine Entscheidung vorzugehen, mit der ein Projekt genehmigt wird, das möglicherweise gegen eine in der Wasserrahmenrichtlinie festgelegte Verpflichtung verstößt.
Insbesondere das letzte oben erwähnte Urteil sieht eine einfache Genehmigung vor: Wenn die Angelegenheit durch das EU-Umweltrecht geregelt ist, können die Mitgliedstaaten den betroffenen Personen den Zugang zum Gericht grundsätzlich nicht verwehren, auch wenn diese Personen beispielsweise von der Teilnahme an den Genehmigungsverfahren ausgeschlossen sind. Und wenn eine solche Beteiligung eine Voraussetzung für den Zugang zur Justiz ist, muss diesen Personen bereits in der Phase des Verwaltungsverfahrens eine Beteiligung ermöglicht werden.